Samstag, Dezember 31, 2005

gastbeitrag - In the Year 2006 (Teil 2)

Alles ist Fußball. Das ist zwar nicht demokratisch, beruhigt aber die Nerven der Männer. Oder sind es die Bierströme, die sie in sich hineingießen? Die Frauen erkennen: es gibt kein Entrinnen. Sie gehen ins Exil.


Der Wintereinbruch im Winter wird zur Regel. Komisch.


Es gibt den Fisch des Jahres. Es gibt den Vogel des Jahres. Es gibt das Wort des Jahres. Zuletzt hieß es 'Bundeskanzlerin'. Klar, es geht ja auch um Artenschutz. Gegangen wäre auch 'Wir sind Papst'. Grund genug für die nächste Entscheidung. Sie lautet: 'Dichter und Denker'.


Die Welt ist zu Gast bei Freunden. Das haben auch die Flüchtlinge kapiert. Mit einem Trikot durch die Stadt zu laufen, ist nicht nur chick, es schützt jetzt auch vor Abschiebung. Meyer-Vorfelder streitet jede Verbindung mit dieser Bewegung ab. Nutzt aber nur wenig. Sein Ruf ist endgültig ruiniert. Er sucht das Weite.


Die Ausstellung bei Madame Tussaud mit Bush und Blair im Kuh-Kostüm bricht sämtliche Besucherrekorde und wird auf unbestimmte Zeit verlängert. Die Cow-Boys feiern dies mit einem zünftigen Rodeo auf dem Bauernhof von George Double-You.


Fritz Kuhn verkündigt auf den Seiten der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft: „Sozial ist, wer den Schwachen wirklich hilft“. Prompt wird er von der Realität eingeholt. Nach seinen Höhenflügen verliert er den Boden unter den Füßen und muss sich neues Parkett legen lassen. Er belebt seine Kontakte in Polen, da sollen die Menschen besonders arm dran sein.


Schäuble startet eine neue Kampagne. Wir sind nicht Papst. Wir sind nicht Deutschland. Wir sind Bundeswehr. Das reicht, um die Öffentlichkeit davon abzulenken, dass die so genannte „Rettungsfolter“ schon heute verfassungsrechtlich abgesichert ist. In einem offenen Brief wird Schäuble deutlich: Wir sind Frieden - Draußen und drinnen. Der Einsatz von Soldaten bei der Fußballweltmeisterschaft kann entfallen, denn WIR sind überall. Hat irgendjemand etwas dagegen? Das kriegen wir schon hin.


Bertolt Brecht sei Dank:
„Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen. (...) Verehrtes Publikum, los, such dir selbst den Schluß! Es muß ein guter da sein, muß, muß, muß!“

Ihr Kabarättchen


Dienstag, Dezember 27, 2005

wie schon die alten sungen ...

Kurt Tucholsky
Die freie Marktwirtschaft

Ihr sollt die verfluchten Tarife abbauen.
Ihr sollt auf euern Direktor vertrauen.
Ihr sollt die Schlichtungsausschüsse verlassen.
Ihr sollt alles Weitere dem Chef überlassen.
Kein Betriebsrat quatsche uns mehr herein,
wir wollen freie Wirtschaftler sein!
Fort, die Gruppen - sei unser Panier!
Na, ihr nicht. Aber wir.

Ihr braucht keine Heime für eure Lungen,
keine Renten und keine Versicherungen,
Ihr solltet euch allesamt was schämen,
von dem armen Staat noch Geld zu nehmen!
Ihr sollt nicht mehr zusammenstehn
- wollt ihr wohl auseinandergehn!
Keine Kartelle in unserm Revier!
Ihr nicht. Aber wir.

Wir bilden bis in die weiteste Ferne
Trusts, Kartelle, Verbände, Konzerne.
Wir stehen neben den Hochofenflammen
in Interessengemeinschaften fest zusammen.
Wir diktieren die Preise und die Verträge
- kein Schutzgesetz sei uns im Wege.
Gut organisiert sitzen wir hier...
Ihr nicht. Aber wir.


Freitag, Dezember 16, 2005

gastbeitrag - In the Year 2006 (Teil 1 von 2)

Das 'Prinzip Vogelgrippe' hat sich ja inzwischen durchgesetzt: Man nehme eine mögliche Katastrophe über die dann so lange berichtet wird bis alle Angst vor ihr haben. Die BILD versucht es zum Beispiel immer wieder mal mit einem drohenden Weltuntergang durch Meteoriten. Sie ist damit genauso erfolgreich wie die Zeugen Jehovas. Aber es geht auch besser.

So wird 2006:


Ritalin avanciert zur Volksdroge. Die Substanz, die aufgekratzte Kinder ruhig stellt, treibt sogenannte 'Gesunde' kurzfristig zu geistigen Hochleistungen. Nebenwirkungen unbekannt. Da rauche ich lieber weiter ;-)

Jetzt aber mal ernst.

Es wird immer deutlicher – die Arbeitslosenversicherung ist gar keine. Das Bundesverfassungsgericht verbietet diese Form des Versicherungsbetruges. Abgeschafft werden nicht die Ungerechtigkeiten, sondern die Arbeitslosenversicherung selbst. Eine zentrale Forderung der FDP und anderen Wirtschaftsliberalen wird somit erfüllt. Die Folgen bleiben bis 2007 unklar.


Hartz IV Empfänger bekommen eigentlich Arbeitslosengeld II. Aufgrund oben genannter Entwicklung setzt sich das Wort 'Hartzer' durch. Hartzer erwarten weitere Einschränkungen im Leistungsbezug. Nach einem Jahr erlischt der Anspruch auf Weiterzahlung in die Rentenversicherung. Die maroden Kassen der Rentenversicherungsträger werden weiter belastet, die Bürgerversicherung rückt ein Stück näher. Erste Proteste aus dem Arbeitgeberlager.


Warnungen vor einer Deflation in Deutschland mehren sich. Je deutlicher die Symtome, umso stärker wächst der politische Handlungsbedarf. Eine neu eingerichtete Kommission zur Wahrung der Meinungsfreiheit verbietet den öffentlichen Gebrauch des Begriffes. Begründet wird dies mit dem Minderheitenschutz für Großunternehmer.


Die Kassenärztliche Vereinigung geht an die Börse. Die Zweiklassenmedizin macht daraufhin große Fortschritte. Doch auch der Widerstand wächst. Menschen, die aus gesetzlichen Krankenkassen herausgefallen sind, schließen sich in Selbsthilfegruppen zusammen. Erste Aktionen sind für 2007 geplant.


Die Deutsche Bahn dagegen verpasst jedes ihrer Unternehmensziele. Je freundlicher der Kundenservice wird, umso mehr potentielle Fernreisende bleiben zu Hause. Weil dieses Rätsel nicht gelöst werden kann, muss Mehdorn seinen Stuhl räumen.


Die Autobahn-Maut für PKW wird eingeführt. Immer mehr Fernstrecken werden mit Betonheizung ausgestattet. Das führt zu weitreichenden Verbesserungen der Verkehrsverhältnisse. Es gibt ein großes Dankeschön der Raser. Die Unfallstatistiken schnellen in die Höhe.


Die Konjunktur der Bauwirtschaft bricht völlig ein. Im Volksmund werden Hausbesitzer schon 'Traumtänzer' genannt. Von Luftschlössern können aber immer weniger Fondsgesellschaften leben. Sie verlegen ihr Geschäft ins Ausland. Kritische Intellektuelle werten dies als erstes Zeichen einer noch nicht gekannten Auswanderungswelle.


Apropos Kritische Intellektuelle. Schriftsteller, Maler und Musiker treten an die Öffentlichkeit und behaupten: Kunst ist nicht nur schön! Sie erfahren von unerwarteter Seite Unterstützung. Renommierte Werber finden das Konzept gut, bemängeln aber den Sprachgebrauch und schlagen folgenden Slogan vor: Kunst ist anders! So aufgerüttelt, erkennen immer mehr Künstler und Kritiker ihre gesellschaftliche Funktion. Ein kreativer Tsunami bedroht Deutschland.


Die Nachwuchsprobleme im Kabarett werden gelöst. In Sprachprovokationen erprobte, inzwischen arbeitslose Journalisten wechseln das Fach. Erste Auftritte werden jedoch verhindert – den eigens dafür recherchierten Spielstätten fehlt der Notausgang.


Dieter Bohlen muss wieder selbst und ohne Playback singen. Das Gekrächze halten selbst die treuesten Fans nicht aus. Ein Stern versinkt.


Die wirtschaftliche Globalisierung schreitet voran. Viele Unternehmer wandern ins Ausland ab. Die Personalkosten fallen, die Produktionskosten steigen, weil Infrastruktur und Vertriebswege mangelhaft sind. Sie fühlen sich als Vertriebene und gründen einen Verband zur Wahrung ihrer Interessen in der Heimat. Dieses Projekt ist so offenkundig schwachsinnig, dass niemand sie zurückhaben will.




Die Kampagne 'Du bist Deutschland' zieht Bilanz. Besonders erfolgreich war das Plakat zur Lobpreisung der Waschmaschine mit den Worten 'Du bist Alice Schwarzer' . Einer der wenigen neuen Trends wird erkannt und umgesetzt: Im kommenden Jahr gibt es Waschmaschinen auch in rot.



Ob das alles war? - Nö.

Bis demnächst
Ihr Kabarättchen


Samstag, Dezember 10, 2005

frage des tages




wenn man politiker, die dagegen sind, die namen derjenigen zu nennen, die uns faules fleisch andrehen, dazu zwänge, selbst diese speise zu sich zu nehmen, wäre das dann folter?




ps, im vertrauen, das war bevor, ich lesen musste, wer es statt dessen essen muss:
"Behörden verteilen Gammelfleisch an Flüchtlinge"