Freitag, Dezember 16, 2005

gastbeitrag - In the Year 2006 (Teil 1 von 2)

Das 'Prinzip Vogelgrippe' hat sich ja inzwischen durchgesetzt: Man nehme eine mögliche Katastrophe über die dann so lange berichtet wird bis alle Angst vor ihr haben. Die BILD versucht es zum Beispiel immer wieder mal mit einem drohenden Weltuntergang durch Meteoriten. Sie ist damit genauso erfolgreich wie die Zeugen Jehovas. Aber es geht auch besser.

So wird 2006:


Ritalin avanciert zur Volksdroge. Die Substanz, die aufgekratzte Kinder ruhig stellt, treibt sogenannte 'Gesunde' kurzfristig zu geistigen Hochleistungen. Nebenwirkungen unbekannt. Da rauche ich lieber weiter ;-)

Jetzt aber mal ernst.

Es wird immer deutlicher – die Arbeitslosenversicherung ist gar keine. Das Bundesverfassungsgericht verbietet diese Form des Versicherungsbetruges. Abgeschafft werden nicht die Ungerechtigkeiten, sondern die Arbeitslosenversicherung selbst. Eine zentrale Forderung der FDP und anderen Wirtschaftsliberalen wird somit erfüllt. Die Folgen bleiben bis 2007 unklar.


Hartz IV Empfänger bekommen eigentlich Arbeitslosengeld II. Aufgrund oben genannter Entwicklung setzt sich das Wort 'Hartzer' durch. Hartzer erwarten weitere Einschränkungen im Leistungsbezug. Nach einem Jahr erlischt der Anspruch auf Weiterzahlung in die Rentenversicherung. Die maroden Kassen der Rentenversicherungsträger werden weiter belastet, die Bürgerversicherung rückt ein Stück näher. Erste Proteste aus dem Arbeitgeberlager.


Warnungen vor einer Deflation in Deutschland mehren sich. Je deutlicher die Symtome, umso stärker wächst der politische Handlungsbedarf. Eine neu eingerichtete Kommission zur Wahrung der Meinungsfreiheit verbietet den öffentlichen Gebrauch des Begriffes. Begründet wird dies mit dem Minderheitenschutz für Großunternehmer.


Die Kassenärztliche Vereinigung geht an die Börse. Die Zweiklassenmedizin macht daraufhin große Fortschritte. Doch auch der Widerstand wächst. Menschen, die aus gesetzlichen Krankenkassen herausgefallen sind, schließen sich in Selbsthilfegruppen zusammen. Erste Aktionen sind für 2007 geplant.


Die Deutsche Bahn dagegen verpasst jedes ihrer Unternehmensziele. Je freundlicher der Kundenservice wird, umso mehr potentielle Fernreisende bleiben zu Hause. Weil dieses Rätsel nicht gelöst werden kann, muss Mehdorn seinen Stuhl räumen.


Die Autobahn-Maut für PKW wird eingeführt. Immer mehr Fernstrecken werden mit Betonheizung ausgestattet. Das führt zu weitreichenden Verbesserungen der Verkehrsverhältnisse. Es gibt ein großes Dankeschön der Raser. Die Unfallstatistiken schnellen in die Höhe.


Die Konjunktur der Bauwirtschaft bricht völlig ein. Im Volksmund werden Hausbesitzer schon 'Traumtänzer' genannt. Von Luftschlössern können aber immer weniger Fondsgesellschaften leben. Sie verlegen ihr Geschäft ins Ausland. Kritische Intellektuelle werten dies als erstes Zeichen einer noch nicht gekannten Auswanderungswelle.


Apropos Kritische Intellektuelle. Schriftsteller, Maler und Musiker treten an die Öffentlichkeit und behaupten: Kunst ist nicht nur schön! Sie erfahren von unerwarteter Seite Unterstützung. Renommierte Werber finden das Konzept gut, bemängeln aber den Sprachgebrauch und schlagen folgenden Slogan vor: Kunst ist anders! So aufgerüttelt, erkennen immer mehr Künstler und Kritiker ihre gesellschaftliche Funktion. Ein kreativer Tsunami bedroht Deutschland.


Die Nachwuchsprobleme im Kabarett werden gelöst. In Sprachprovokationen erprobte, inzwischen arbeitslose Journalisten wechseln das Fach. Erste Auftritte werden jedoch verhindert – den eigens dafür recherchierten Spielstätten fehlt der Notausgang.


Dieter Bohlen muss wieder selbst und ohne Playback singen. Das Gekrächze halten selbst die treuesten Fans nicht aus. Ein Stern versinkt.


Die wirtschaftliche Globalisierung schreitet voran. Viele Unternehmer wandern ins Ausland ab. Die Personalkosten fallen, die Produktionskosten steigen, weil Infrastruktur und Vertriebswege mangelhaft sind. Sie fühlen sich als Vertriebene und gründen einen Verband zur Wahrung ihrer Interessen in der Heimat. Dieses Projekt ist so offenkundig schwachsinnig, dass niemand sie zurückhaben will.




Die Kampagne 'Du bist Deutschland' zieht Bilanz. Besonders erfolgreich war das Plakat zur Lobpreisung der Waschmaschine mit den Worten 'Du bist Alice Schwarzer' . Einer der wenigen neuen Trends wird erkannt und umgesetzt: Im kommenden Jahr gibt es Waschmaschinen auch in rot.



Ob das alles war? - Nö.

Bis demnächst
Ihr Kabarättchen