Sonntag, Mai 08, 2005

keine stunde null

sechzig jahre nach kriegsende. ingeborg bachmann thematisierte und erinnerte früh daran, dass es keine stund null gab. selten jedoch so lakonisch und ironisiert wie in ihrer erzählung 'Unter Mördern und Irren':

"Juden sind gemordet worden, weil sie Juden waren, nur Opfer sind sie gewesen, so viele Opfer, aber doch wohl nicht, damit man heute endlich draufkommt, schon den Kindern zu sagen, dass sie Menschen sind? Etwas spät, findest du nicht? [...] Wer weiß denn hier nicht, dass man nicht töten soll?! Das ist doch schon zweitausend Jahre bekannt. Ist darüber noch ein Wort zu verlieren?"

doch, natürlich gab und gibt es darüber worte zu verlieren. vor allem darüber, wie die nationalsozialistische ideologie solch eine macht entfalten konnte.

dies kann man unter anderem nachlesen in den essays von jean améry - 'Jenseits von Schuld und Sühne'.


weil literatur immer nur einen ausschnitt abbildet, noch diese anmerkung: 'die juden' standen für ingeborg bachmann symbolisch auch für alle anderen menschen, die aufgrund ideologischer konstrukte gesellschaftlich diskriminiert, verfolgt und ermordet werden.